2006 stellte Opel vier Bloggern einen Astra vor die Tür. Einer davon war ich, und so durfte ich dann auch den ersten Shitstorm meines Lebens aushalten. Denn vor sechs Jahren galt es noch als ungehörig, dass Blogs und Blogger sich vermarkten. bzw. für eine Marketing-Aktion eingespannt werden. Dementsprechend liefen in der kleinen deutschen Blogwelt einige Autoren die Wände hoch, die Wellen schwappten fürchterlich im Wasserglas. Die betreuende Agentur wurde teilweise etwas nervös, vor allem weil Opel, eh nicht gerade problemfrei in Sachen Image unterwegs, irgendwie unglücklich wirkte. Am Ende war man allerdings sehr zufrieden. Im Grunde hat die Aktion dann die Tür für die Vermarktung in Blogs in Deutschland geöffnet.
Und heute? PR-Firmen und Hersteller sind wach geworden und laden ausgewählte Blogger auf ihre Pressereisen ein und verteilen auch mal Testwagen. Im Grunde haben die Hersteller aber nur zwei Dinge gemacht. 1. Statt einiger Printkollegen werden jetzt Blogger zu den Events geflogen. 2. Einige Herstellern haben sich einen Monitoringdienst zugelegt, um den Online-Buzz zu messen. Man macht genau das, was man seit 40 Jahren macht, man hat nur ein paar Mitspieler ausgetauscht.
Blogger werden wie Printjournalisten behandelt, die auf beschränktem Raum wenige Zeilen schreiben können und dies auch nur einmal über ein neues Fahrzeug. Dabei haben Blogger aber kein Platzproblem, das Gegenteil ist der Fall. Es existiert eher das Problem, jeden Tag neuen, guten, spannenden Content zu generieren.
Hier verschenken die Hersteller viel PR-Potential. Sicher, es ist nett, diese Sache mit den Hotels und dem Essen und den Fahrten auf netten Landstrassen. Es ist auch für die Automobilbranche eine relativ kostengünstige Möglichkeit eine hohe Reichweite zu erzielen. Aber nur wenige Hersteller hatten bisher eine Idee, bzw. eine Agentur, wie man langfristige und vor allem nachhaltige Aktionen mit Bloggern und Multiplikatoren im Bereich Social Media an den Start bringen kann. Mercedes hatte die sehr schöne Idee, den F-Cell Wagen von Bloggern bewegen lassen, Nissan hat den Leaf an Blogger verteilt die dann auch für ein Monate, statt 2 Stunden.
Man verkauft heute kaum noch Autos über die reinen Leistungsdaten, da sich die Fahrzeuge eh sehr ähnlich sind. Was ich kaufe, ist ein Image. Ich will einen BMW, einen Toyota oder einen Audi vor meiner Garage haben, ich gebe damit gegenüber Freunden und Nachbarn ein Statement ab. Dieses Image zu gestalten kostet die Hersteller pro Jahr eine zwei- bis dreistellige Millionensumme. Aber genau da, wo Image gebildet wird, wo Kunden sich unterhalten, wo Informationen und Meinungen geteilt werden, da sind die Hersteller nicht vertreten. Und dies, obwohl Red Bull, Coca Cola u.a vormachen, wie virale und offene Imagekampagnen funktionieren.
Das Problem dabei: Viele Unternehmen, und ich meine damit nicht allein die Automobilbranche, denken noch zu sehr in abgeschlossenen Kampagnen. Die sind, auf den Gesamtmarkt bezogen, sehr wichtig, aber die langfristige Kampagnenbildung findet teilweise im Netz statt. 67% der Netznuter schliessen in ihre Meinungsbildung Bewertungen von anderen Usern mit ein. (Quelle Bitkomm). Dass allein sagt schon viel über Markenbildung aus, und wie sie schon jetzt läuft.
Das Beziehungsgeflecht zwischen einer Marke und einem Kunden beginnt nicht erst dann, wenn ein Kunde vor einer mittelfristigen Kaufentscheidung steht. Die Interaktion ist ein fortlaufender Prozess, darauf sind Autohersteller auch eingestellt, aber interessanterweise nicht im Bereich Social Media. Es müssen ja keine CRM-Plattformen sein, die Kommunikation und Imagebildung kann auch auf anderen Wegen generiert werden.
Wenn ich ein Produkt im Netz vermarkten möchte, muss ich also von der „One-to-all“ Konversation auf die „One-to-One“ umschalten. Und das bedeutet, dass ich die Räume nachhaltig besetzen muss und sie vor allem mit einer Online-Marketing Kampagne verknüpfen sollte. Und damit meine ich nicht Banner-Kampagnen, da diese kaum Nachhaltigkeit entwickeln.
Man braucht also Ideen, mit denen man die Multiplikatoren in die eigene Marketingstrategie einbindet. Bildlich gesprochen, sieht die Veränderung so aus:
Hersteller -> Journalist -> Leser
Heute sieht das Beziehungsgeflecht aber so aus:
Hersteller -> Multiplikator -> Community -> Leser -> Suchmaschine
Es geht also darum, spezielle Marketingkamapgnen zu entwicklen, die den relativ neuen Raum Social Media nachhaltig nutzen und gleichzeitig in eine allgemeine Werbestrategie mit aufgenommen werden können. Mehrfachverwertung könnte man auch sagen. Dabei ist die Menge an Möglichlkeiten riesig. Nur drei Beispiele, was man machen könnte, bevor ein Neuwagen auf den Markt kommt.
– Blogger zu Testfahrten vor einer Neuvorstellung einladen. Wie werden Autos getestet? Was macht man wo? Wie schwierig ist der Job eines Testers?
– Einladung zu Dreharbeiten eines Werbefilms, behind the scenes.
– Designstudien, Entwicklung usw.
Klar, das sind drei Beispiele, wo den Sicherheitschefs die Haare zu Berge stehen. Aber im richtigen Rahmen lässt sich so etwas problemlos umsetzen, inkl. Verschwiegenheitsklausel. Die Beispiele sollen auch zeigen, dass es genügend Raum für gute und vor allem fortlaufende Geschichten gibt, die man nur online und kaum im Print umsetzen kann. Und Geschichten sind das, was Blogger brauchen. So etwas im Grunde sehr einfach zu gestalten. Noch zwei Beispiele aus dem Handgelenk:
– Auf den Spuren der Targa Florio. Blogger fahren mit einer Auto-Neuvorstellung die Strecke ab, suchen die Spuren der alten Rennstrecke und begleiten das Ganze täglich medial per Video/Twitter usw.
– Ein Lehrgang zum nachhaltigen Fahren mit einer Art „Rennen“ zwischen den Teilnehmern. Wer am wenigsten verbraucht gewinnt etwas.
Im Grunde profizert man gegenseitig: Der Hersteller, weil er seinen Content über die Blogs verbreiten kann, der Blogger, weil er exklusive Inhalte bekommt. Die Unternehmen und ihre Agenturen sind also gefragt, kreativer zu sein, neue Ideen im Social Media Marketing zu entwickeln. Dabei können Blogger eine tragende Rolle übernehmen, denn die wissen am Besten, was die Leser wollen und interessant sein könnte.
Das Problem wie auch immer gearteter Social Media Aktionen: Sie kosten zusätzliches Geld, vor allem dann, wenn man einen weltweiten Markt im Blick hat. Eine reine Aktion mit deutschsprachigen Bloggern ist nett, vom Kosten/Nutzen-Faktor her aber oft schwer dem Controller zu vermitteln. Wenn Social Media im Grunde eine fortlaufende Image-Kamapgne ist, wie lässt sich diese dann im long tail mit Zahlen belegen?
Im dritten Teil geht es dann um Messbarkeit (bzw. nicht Messbarkeit) von Social Media Kampagnen.
Serie: Auto-Branche & Social Media
Teil 1
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